Collagebuch eins

Collagebuch eins
Offensichtlich hatte ich nach zehn Jahren Arbeit im relativ kleinen Enzyklopädie-Format ein Bedürfnis nach anderen Formaten. Nicht nur in dieser Hinsicht bedeutete das Collagebuch eins eine Veränderung. Nach der langen Zeit der konzeptionellen, an das Projekt "Zweite Enzyklopädie von Tlön“ gebundenen Arbeit war die spontane unmittelbare Collagearbeit sicher eine Möglichkeit, wieder an vorenzyklopädische Arbeiten anzuknüpfen (z.B. die Frankfurter Postzeitung) und dabei trotzdem neue Wege zu gehen, die natürlich von der Arbeit an der Enzyklopädie beeinflusst waren. Das Collagebuch eins sollte nicht einfach ein Buch mit 14 Collagen werden, sondern versuchen (das war mein wohl immer noch typisch enzyklopädischer Anspruch), die Architektur eines Buches, das "Texte" und Bilder zusammenbringen soll, zu veranschaulichen und zu hinterfragen. Die "textliche Botschaft" übernehmen von Messinglinien rot gedruckte Rechteckformen, die, beginnend mit einem Rechteck auf der ersten Seite, im Verlaufe des Buches von Seite zu Seite zunehmend unterteilt werden. Die lapidare Botschaft dieser "Blindtextblöcke" ist auf der ersten Seite: ein Rechteck. Auf der nächsten Seite wird dieses Rechteck durch eine Linie waagerecht in der Mitte geteilt und die Botschaft lautet folglich: zwei Rechtecke übereinander. Eine Seite weiter wird das Rechteck senkrecht in der Mitte geteilt und ergibt: zwei Rechtecke nebeneinander. Eine etwas kompliziertere Teilung des Rechtecks ergibt: 12 kleine Rechtecke umrahmen ein großes Rechteck. Alle diese roten "Textblöcke" stehen links auf der Doppelseite. Auf der rechten Seite kommen die Collagebilder ins Spiel. Ihnen dient ein grünes Rechteck als Rahmen oder "Anknüpfungspunkt". Ihre nicht kalkulierbare spontane Formensprache bildet für mich einen reizvollen Kontrast zu den strengen Linienblöcken. Für die Collagen habe ich, neben rotem Büttenpapier und rot-weißen Korrektur-Aufklebern aus dem 19. Jahrhundert, Seiten von alten Büchern verwendet. Ihre Papiere, zum Teil vor über 200 Jahren im Buchdruck bedruckt, und der Linien-Buchdruck auf dem grünen Büttenpapier bringen die beiden Ebenen zusammen. Die Buchpapiere ihrerseits bringen "richtigen" lesbaren Text auf die Bildseiten, wenn auch nur fragmentarisch, während man die gedachten "Textseiten" eher als grafische Bilder sieht.


36 Seiten, grünes Lunabütten, Buchdruck und Original-Collagen, Ganzgewebeband mit Titelschild, 20 x 28,4 cm,

20 nummerierte und signierte Exemplare. Flörsheim 2008.



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